Es bereitet mir viel Freude alte/gebrauchte Klarinetten wieder „Zum Leben zu erwecken“ und aus diesem Grund bin ich immer auf der Suche nach schönen Instrumenten "alter", namhafter Hersteller. Dazu gehören zum Beispiel: „O.Oehler“(Berlin), „Cl.Meinel“(Wernitzgrün), „Cl.Wurlitzer“(Wernitzgrün), „P.K.Wurlitzer“(Erlbach), „Arno Wurlitzer“(Erlbach), „F.G.Uebel“(Wohlhausen), alte „F.A.Uebel“(Markneukirchen), „Sandner“(Markneukirchen), „O.Neidhardt“(Schöneck), „Fr.Schüller“(Markneukirchen), „Kolbe“(Altenburg), „C.Mollenhauer“(Cassel), „R.Gottsmann“(Wohlhausen), „Gebr. Mönnig“(Markneukirchen), „R.Müller“(Bremen), „O.Nürnberger“(Markneukirchen), „Püchner“(Nauheim), „K.Fr.Todt“(Erlbach), „B.Todt“(Erlbach), „G.Graessel“(Nürnberg), „Wunderlich“(Berlin) sowie einige wenige mehr und ich freue mich über jede Errungenschaft. Nicht immer ist der Firmenname eine Garantie für gut angefertigte Instrumente, denn die Firmen haben mitunter lange existiert und sehr unterschiedliche Inhaber und Qualitätsphasen gehabt. Natürlich war es auch vom jeweiligen „Ansetzer“ abhängig, welcher die Klappen auf das Holz gesetzt (angesetzt) hat. Manche Firmen hatten in Ihren Blütezeiten 25 Ansetzer und mehr. Es gibt leider auch Instrumente, welche ohne jegliche Pflege Jahrzehntelang „runter gespielt“ wurden und oft in erbärmlichem Zustand sind. Diesen Instrumenten Ihre Seele zurück zu geben ist unglaublich befriedigend und es sind kleine Schätze, die auf ein zweites Musikleben in sorgsamen Händen warten. Ich lebe von Reparaturen und vom Verkauf, aber es fällt tatsächlich immer wieder schwer eines meiner „Geschöpfe“, in die so viel Arbeit und Sorgfalt investiert wurde, zu verkaufen. Als großes Glück empfinde ich die Freude eines Musikers, in meinem Geschäft ein solches Instrument zu erwerben. Ich versuche auf den folgenden Zeilen einen Ablauf der Arbeiten zu schildern, welche fast immer notwendig sind, um eine Klarinette nach der Restaurierung/Instandsetzung mit bestem Gewissen und 2 Jahren Garantie verkaufen zu können.
Beim ersten Betrachten des Instrumentes überprüfe ich verlorene Klappen. Meist abgeschraubte Klappen wie F-oder Eb Hebel oder Daumenklappe für die Bechermechanik. Der Klarinettenspieler hat diese Klappen als störend empfunden, irgendwann abgeschraubt und nicht mehr wieder gefunden. Klappen kann ich nicht aus einer Schublade nehmen, sondern diese müssen passgenau für jede Klarinette angefertigt und der Form der anderen Klappen angepasst werden. So als wären sie nie weg gewesen und keiner würde es jemals bemerken. Das bedeutet aus Neusilberdraht die Klappe schmieden, nach entsprechenden Maßen grob und fein feilen, grob und fein schmirgeln und schließlich polieren und versilbern. Verbogene Klappen, welche oft beim Zusammenstecken der Klarinettenteile verbiegen, werden gerichtet und in die ursprüngliche Form zurück versetzt. Die gesamte Mechanik wird nun demontiert und oft genug sind Schrauben eingerostet, die mühevoll entfernt (mitunter ausgebohrt) werden müssen. Schrauben sind oft zu lang, zu kurz oder zu dünn (so das die Klappe darauf wackelt). Hier werden oft neue, dickere Schrauben aus Schraubendraht angefertigt. Auch diese kann ich nicht im Baumarkt besorgen. Die exakte Länge muss bestimmt werden, ein Gewinde aufgeschnitten und ein Schraubenschlitz eingesägt werden. Beim Auseinandernehmen der Mechanik achte ich auf Walzen, die zu kurz sind und eingezogen (mit Hilfe der Walzenzangen länger gemacht) werden müssen. Auch Spitzschrauben für die C-Klappe, Oehlermechanik oder Daumenklappe müssen fast immer ersetzt werden. Dennoch beginnt die aufwendigste Arbeit erst mit den schadhaften Versilberungen von Klappen, Kugeln / Haltern, Ringen und Hülsen. Diese Schäden sind nicht etwa nur optische Mängel, sondern lassen Mechaniken scharfkantig werden, das Griffgefühl wird beträchtlich beeinträchtigt und die Mechanik löst sich langsam aber stetig mit der Zeit auf. Alle Kugeln, Halter, Ringe und Hülsen müssen dazu aus dem Holzkorpus herausgeschraubt, bzw. entfernt werden und aus den Kugeln die Nadelfedern entfernt werden. Jede dieser Kugeln wird im „Bohrbänkel“ eingespannt, nachgefeilt und geschmirgelt. Ebenso wird die Oktavhülse und die G-Hülse sowie die Ringe nachgearbeitet, bis die vom Handschweiß beschädigten Stellen optisch einwandfrei sind. Auch die schadhaften Klappen werden in pedantischer Handarbeit grob und fein nachgefeilt sowie grob und fein geschmirgelt, um die ursprüngliche Form so gut wie nur möglich zu erhalten und die Angriffsstellen für Schweiß zu minimieren. Alle mechanischen Teile wie Kugeln, Klappen, Halter und Hülsen als auch die Ringe von Becher, Birnen und Unterstück werden jetzt auf Hochglanz poliert. Es besteht oft die Meinung die Versilberung sei eine galvanische Nachversilberung und ein kleiner Aufwand, bei welchem alle schadhaften Stellen verschwinden. Jedoch ist die Nachversilberung nur so gut wie die Vorarbeit und jeder noch so kleine Kratzer verschwindet nicht, sondern tritt danach noch deutlicher hervor. Die reine galvanische Arbeit ist ein geringer Kostenaufwand und beträgt meist nur ca. 150,-€ pro Klarinette. Soll die Versilberung die Klappen lange gegen Handschweiß und andere Umwelteinflüsse schützen, muss sie relativ dick und nicht nur ein Hauch von optischem Glanz sein. Dies bedeutet aber für mich, das nach der Versilberung keine Schraube mehr durch Löcher und Walzen geht und die Klappen zu eng zwischen den Kugeln sind und klemmen. Die Nadelfedern passen nicht mehr in die Kugeln und die Löcher müssen nachgebohrt werden, u.s.w. Auch dieser Arbeitsaufwand ist beträchtlich, soll doch bei dem „Neuen“ Instrument nichts wackeln oder klappern, aber dennoch jede Klappe leicht und einfach funktionieren. In der Zwischenzeit der Versilberungsarbeiten ist das Holz „nackt“ und kann nach Beschädigungen abgesucht werden. Oft genug sind Tonlochzwirle ausgebrochen, Kratzer im Holz und natürlich die Zapfenkorken defekt (zu locker). Zwirle werden also mit speziellen Werkzeugen begradigt, Kratzer entfernt und Zapfenkorken erneuert. Wenn nötig auch Metallzapfen aus Silber oder Neusilber aufgesetzt. Das Holz wird nun immer wieder gründlich geölt (besonders die Bohrungen) bis eine gewisse Sättigung eintritt. Wie vorhin schon angedeutet müssen nun alle Kugeln, Halter und Hülsen wieder in die Holzstücke eingesetzt und die Ringe auf Becher, Birnen und Unterstück befestigt werden. Nadelfedern eingesetzt und die Schrauben für die Walzen angepasst werden. Auch Klappen passen nicht mehr zwischen die Kugeln oder berühren sich gegenseitig bei zu enger Bauweise. Wenn schließlich alles wieder passt, können die Klappen erst bekorkt werden und die Bepolsterung statt finden. Ich verwende bei den meisten Klarinetten ausschließlich Goretex-Polster als hochwertigstes Material für Dichtheit und Langlebigkeit. Ich baue die Klappen aber nicht nur an die Klarinette, sondern achte sehr sorgfältig auf die ergonomisch besten Griffstellungen für technisch optimale Spieltechnik und bei den Klappen auf optimale Aufgänge für einen bestmöglichen, freien Klang. Ein Test des fertigen Instrumentes ist eine Überprüfung auf „Herz und Nieren“ und immer wieder ein wunderschönes, befriedigendes Erlebnis.
Ihr Klarinettenbaumeister Boris Schoenherr